Hybrider Immobilienkongress in Erfurt diskutiert den Konflikt zwischen Städten und ländlichem Raum, über Wohnen und Mieten, Gewerbe, Büros und natürlich Logistik.
Prof. Dr. Benjmanin-Immanuel Hoff, unter anderem Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft und Chef der Staatskanzlei in Thüringen, eröffnete den IMMOCOM-Kongress sehr kämpferisch: „Wir haben hier viel ländlichen Raum, das ist ein großer Vorteil.“ Kleinste und kleine Städte (zu letzteren gehört seiner Auffassung nach auch Erfurt) bilden ein Netz aus Historie, Kultur, Infrastruktur, Stadtentwicklung, Tourismus und Beziehungen. „Das sind Ankerpunkte für die Bevölkerung.“ Oft funktionierten Dörfer vor allem hinsichtlich der sozialen Beziehungen besser. Problem im ländlichen Raum sei vor allem der Rückbau von Infrastruktur in der Vergangenheit, in erster Linie im Bereich Verkehr.
„Können Wunsch nach Einfamilienhaus erfüllen“
„Wir können im Gegensatz zu vielen anderen den Wunsch der Menschen nach einem Einfamilienhaus erfüllen, zum Teil sogar in Innenstadtlagen“, so der Politiker weiter. Es müsse immer darum gehen, Menschen für Thüringen zu begeistern. Nicht nur unter ökologischen Aspekten sehe er die Innen- vor der Außenentwicklung. Im Gespräch wehrte er sich gegen den Vorwurf der Immobilienbranche, Wohnraumförderung gekürzt zu haben. „Die Nachfrage hat sich einfach geändert.“ Sabine Anhöck, Vorstand des BFW Landesverbandes Mitteldeutschland e.V., berichtete von Gesprächen mit der Landesregierung, wonach die Fördertöpfe im kommenden Jahr kleiner ausfallen werden.
Chancen und Vorteile im ländlichen Raum
Prof. Dr. Benjmanin-Immanuel Hoff befürwortete zudem eine konzeptorientierte Förderung. „Im ländlichen Raum kann man mit kleinen Beträgen oft mehr erreichen als in einer Stadt.“ Sabine Wosche, Geschäftsführerin der LEG Thüringen, sieht im ländlichen Raum ebenfalls Chancen und Vorteile. „Wir haben über 100 Projekte und wollen vor Ort den Startschuss geben.“ Als Beispiel nannte sie die Strumpffabrik in Diedorf, die in der Innenstadt lange ein Schandfleck war und nun neuen Nutzungen zugeführt wird.
Hohe Renditen in Thüringen möglich
Torsten Pfeifer von der TREUENBURG GROUP, die in vielen Städten (unter anderem Mühlhausen, Nordhausen, Erfurt, Bad Berka, Gotha, Ilmenau) Wohnen und Gewerbe entwickelt, wies auf die Renditen hin, die man in Thüringen noch erzielen kann. Bei Bürogebäuden zum Beispiel zwischen 5,5 und 7,5 Prozent. „Für große Investoren ist das Bundesland nicht die erste Wahl, da es oft zu kleinteilig ist und die Portfolios zu klein.“ Im Dialog mit André Neumann, Oberbürgermeister der Stadt Altenburg, ging es um Mikro- und Makrolage. Und natürlich um die Entwicklung der Skatstadt: „Wir wollen die Innenstadt stärken, die Verweilqualität verbessern“, so André Neumann. „Wir bieten Leben und Wohnen in einer kompakten Kommune mit einer funktionierenden Infrastruktur. Hier bekommt man problemlos einen Kita-Platz.“ Zudem sei es wichtig, dass man aktiv von den umliegenden „Vor-Städten“ Leipzig, Zwickau und Chemnitz partizipiere.
Wohnen: Gemeinsam an der Entwicklung arbeiten
Den Konflikt zwischen Stadt und ländlichem Raum griff auch das zweite Panel auf – im Bereich Wohnen. vtw-Chef Frank Emrich zeigte die Bevölkerungsentwicklung auf: Stadt rauf, der Rest runter. Andreas Heller, Landrat des Saale-Holzland-Kreises, sprach darüber, dass es nicht nur ein Konzept für einzelne Orte brauche, sondern dass dieses den kompletten Landkreis mitdenken muss. „Es darf nicht jeder für sich agieren und machen“, so vtw-Chef Frank Emrich. „Nur dann bekommt man lebendige Strukturen.“ Dabei sei es wichtig darauf zu achten, was die Menschen wollen. Tobias Wolfrum, Geschäftsführer der jenawohnen GmbH, war es wichtig, dass man nicht in Konkurrenz zueinander gehe, sondern gemeinsam an der Entwicklung arbeite. „Wir entwickeln dort, wo institutionelle Investoren hinmöchten“, so Till Schwerdtfeger, Vorstand der AOC Immobilien AG. Das Unternehmen vermeldete erst kürzlich ein erstes Projekt in Erfurt: 154 Wohnungen will der Entwickler aus Magdeburg bis 2023 im Südosten der thüringischen Landeshauptstadt unter dem Namen COLORIA errichten, darunter öffentlich geförderte Wohnungen. Neben den zwei bis vier Zimmer großen Wohneinheiten sollen auch eine Kita mit 69 Betreuungsplätzen, eine Tiefgarage mit 163 Stellplätzen sowie 29 Außenstellplätze entstehen. Die Baugenehmigungen für das Vorhaben wurden bereits im dritten Quartal 2020 erteilt.
Erfurt gegen Einfamilienhäuser in der Peripherie
Im Landkreis Weimarer Land realisiert Sabine Anhöck, Geschäftsführerin Anhöck & Kellner Massivhaus GmbH und Vorstand des BFW Landesverbandes Mitteldeutschland e.V., 20 Einfamilienhäuser und zeichnete den Konflikt zwischen Stadt und Land mit einem konkreten Beispiel: „Der Stadt Erfurt gefällt es nicht, dass Einfamilienhäuser in der Peripherie gebaut werden, weil dann die Nachfrage in Erfurt nachlasse.“
Digitalisierung: „Wir sind in Thüringen nicht schnell und weit genug“
Das Schlusswort soll sich an dieser Stelle dem Megatrend Digitalisierung widmen. Dass diese wichtig sei, wissen nun alle. „Wir sind in Thüringen nicht schnell und weit genug“, sagte Prof. Dr. Benjmanin-Immanuel Hoff. Seit Jahren werde über BIM oder digitale Bauplanung gesprochen. „Das passiert nach dem Motto: Das geht aber schnell, sagte die Schnecke, die auf der Schildkröte saß.“
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